Einige Gedanken zum Mobilitätskonzept
Nach einem durch Corona verzögerten Prozess mit Elementen der Bürgerbeteiligung wird der Gemeinderat Anfang Februar zunächst einmal ein Leitbild für die Verkehrsentwicklung verabschieden. Auf dieser ganz abstrakten Ebene werden sich dabei wahrscheinlich sogar alle einig werden: Die Anteile des Umweltverbunds (Wege, die zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurückgelegt werden) müssen gegenüber dem MIV (motorisierter Individualverkehr) massiv gestärkt werden. Dabei muß spätestens im neuen Nahverkehrsplan des Landkreises der Takt im ÖPNV verdichtet und die Anschlußbedingungen verbessert werden, um ein attraktiveres Angebot herzustellen. Geh- und Radwege müssen ansprechend, direkt und sicher gestaltet werden, ggfs. unterstützt durch technische Hilfen (z.B. Rolltreppen) entlang bestimmter Abschnitte unserer zum Teil sehr steilen Fußwegverbindungen.
Spannend wird es, wenn sich trotz solcher Angebotsverbesserungen nicht genügend Menschen entschließen, für die meisten Wege auf das Auto zu verzichten. Dann kommt man in einem zweiten Schritt nämlich nur weiter, wenn man das Auto „deprivilegiert“, ihm also einige seiner Vorteile gegenüber dem Umweltverbund (Flexibilität, Geschwindigkeit) nimmt. Das ist auf kommunaler Ebene zum Beispiel möglich durch niedrigere Tempolimits, durch die Umwidmung von Kfz-Spuren in Fuß- und Radwege oder durch eine Parkraumbewirtschaftung nicht nur im Kernbereich der Stadt, die das Halten von Zweit- oder gar Drittwagen im Alltag teurer macht.
In den Jahren von 1950 bis 80 stand vor allem die zunehmende Privilegierung des Autos im Mittelpunkt der Verkehrspolitik. Diese Politik war ausgesprochen erfolgreich: „autogerechte“ Städte lockten tatsächlich immer mehr Fahrzeuge an. Von 1980 bis 2020 gab es zwar einige Akzentverschiebungen zugunsten des Umweltverbundes. Die Zunahme des MIV konnte damit aber allenfalls gebremst werden. Jetzt geht es im Wesentlichen darum, unsere Städte wieder „menschengerechter“ zu machen und neuen Raum für Fußgänger (die für längere Strecken dann den ÖPNV benutzen) und Radfahrer zu schaffen.
Eine weitere Konsequenz: Neue Verbindungswege (z.B. ein zweiter Aufstieg in die Lettenäcker und zum Stumpenhof oder eine Durchbindung der Hindenburgstraße an die Esslinger Straße) kommen für uns nur noch für Fußgänger und Radfahrer in Frage.
Und ein weiteres zwingendes Argument für die Stärkung des Umweltverbunds kommt hinzu: Da die Elektrifizierung des MIV nur extrem schleppend vorankommt (momentan fahren gerade einmal gut 2 Prozent aller Privat-PKWs rein elektrisch, und das entsprechende Wachstum betrug im vergangenen Jahr nicht mal 1 Prozent!) werden wir unseren CO2-Ausstoß allein auf diesem Weg nicht schnell genug senken können, um die Ziele des Pariser Klimavertrags noch zu erreichen.